"Mein Garten ist anders. Wie ein Wald, wie ein Urwald. Ringsherum ist alles zugewachsen, man kann nicht von der Straße hineinsehen. In der Mitte ist eine Wiese mit Blumen, aber es gibt keinen Weg und keine Beete. Ein Bach fließt durch meinen Garten und am Ufer wachsen solche Blumen wie diese dort."
"Schwertlilien?", fragte die Fau. "Aber die mögen es lieber trocken."
So ähnliche", sagte Joschi.
"Und dann habe ich eine Hütte in meinem Garten, nein, eigentlich zwei. Eine ist oben in einem Baum, man muss mit einer Strickleiter hinaufklettern. Dort sitze ich manchmal und lese. Die andere Hütte steht zwischen den Bäumen in meinem Wald, ein kleines Blockhaus ist das. Drinnen gibt es nur ein Heulager, eine Bank und einen Tisch. Einen Ofen hab ich auch, damit ich mir etwas kochen kann. Neben Hütte der ist nämlich der Gemüsegarten, da hab ich Radieschen und Salat gepflanzt und Möhren und Erbsen, und auch ein paar Kartoffeln. Meistens zünde ich den Ofen in der Hütte gar nicht an, draußen habe ich nämlich eine Feuerstelle, nur aus Steinen, mit zwei Astgabeln, in die man den Kochtopf hängen kann. Abends ist es besonders schön in meinem Garten. Dann rauschen die Bäume und ich sitze mit meinen Freunden am Feuer und wir singen und erzählen uns Geschichten. Dann gehen die anderen nach Hause, und ich schlafe in meiner Hütte, und draußen glüht das Feuer noch ein bisschen, aber ich hab keine Angst, wenn die Nachtvögel schreien. Morgens wasche ich mich am Bach und koche mir Kaffee. Dann arbeite ich in meinem Garten. Oder ich sitze in meinem Baumnest und lese. Aber dazu habe ich nicht viel Zeit."
"Du musst ja auch zur Schule gehen", sagte die Frau.
"Ja", sagte er. "Natürlich."
"Und deine Eltern erlauben dir, dass du ganz allein im Garten schläfst?"
"Ich habe doch gar keien Garten", sagte Joschi.
Ursula Wölfel, "Joschis Garten"; Thienemann TB, 2001
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