Verstecken

Die Mauloffer konnten die Bedrohung buchstäblich kommen sehen. Der Kuhhirte Johann hatte von der Waldweide in den Zwölfmorgen beobachtet, wie die wenigen Gebäude der Wüstung in der Ems in Flammen aufgegangen waren. Er hatte dem Schultheißen sofort Meldung erstattet. Kurz darauf hatte auch der Schweinehirte Philipp keuchend in dessen Haustür nach Atem gerungen. Der alte Schäfer Christian dagegen kam vom Brachfeld her zwar etwas später, brachte aber seine Herde gleich mit.

Der Schultheiß gab Alarm: Alle Schafe, alle Kühe von der Waldweide und alle Schweine aus der Eichelmast waren in die Ställe zu bringen, damit kein Laut die Kriegshorden aufmerksam machte. Die Hühner, Enten und Gänse wurden angelockt, eingefangen und in die Keller verfrachtet. Alles Vieh war tüchtig zu füttern, damit es keinen Laut von sich gab. Alle Herdfeuer mussten gelöscht werden. Die Glocke musste schweigen. Nun galt es, Spuren zu verwischen! Wer laufen konnte, musste mit einem Ast Trittsiegel des Viehs im Wald unkenntlich machen, altes Laub darüber streuen und Wasser nachgießen, wo Wege von der Rennstraße zum Dorf hin führten. Alle Fußwege nach Mauloff wurden mit herbeigezogenen Ästen zugebogen. Wo es dann immer noch so aussah, als zweige hier ein Weg ab in Richtung Dorf, steckten die Spurentäuscher ihre Kehräste in den Boden. Es war der große Tag der Hirten und des Schäfers. Diesmal hatten sie, die sonst zu den Geringsten zählten, die wichtigsten Entscheidungen zu treffen. Als sie zufrieden nickten, durften die Dorfbewohner nach Hause gehen.

Die Glocke von Oberems, die am gleichen Nachmittag um Hilfe gerufen hatte, war längst verstummt. In der Nacht stand der rote Feuerschein noch am Himmel

Dann hatten sich die Plünderer Glashütten vorgenommen. Würden sie nun abdrehen in Richtung Alteburg oder die Höhen erklimmen? Sie hielten auf die Rennstraße zu!

Kurz nur hatten sich alle in der Kapelle versammelt, um leise zu beten. Sie beteten um Regen. Zum wievielten Male spielten sie nun schon so Verstecken?

Einmal hatte der frisch fallende Schnee sie gerettet, ein andermal ein heftiges Sommergewitter mit Hagel. Ein weiteres Mal die Finsternis der Nacht.

 

Würden die Soldaten sie entdecken? Welcher versprengten Truppe gehörten sie an? Wer leitete sie? Waren es gemäßigte Wallensteinische, die „nur“ auf Unterhalt und Beute aus waren oder die berüchtigten Schweden, die nach dem Tod ihres Königs folternd einforderten, was sie als freiwillige Abgabe nicht bekamen?

Und dann die wichtigste Frage: Wann würde die Horde eintreffen?

Der Schultheiß schickte den langen Peter und den kurzen Michel los. Sie hatten den Sonderauftrag, mit den einzigen Pferden des Ortes die Rennstraße entlangzureiten, deutliche Spuren zu hinterlassen und auf weiten Umwegen vom Dorf abzulenken. Mutig ließen die beiden die Vorhut der Soldaten bis auf Sichtweite näher kommen, dann sprengten sie davon, die wohl trainierten Pferde der Verfolger hinter sich. Bis zum Eichelbacher Hof ritten sie so voraus. Dann war Ablenkung nicht mehr nötig. Die Soldaten hatten anderes Ziel gefunden. Mauloff aber war gerettet.